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Jahreszeiten

»Tief Mitteleuropa«

19.06.2016

Seit Tagen, ja seit Wochen, gefühlt, regnet es ununterbrochen. Die vorherrschende Wetterlage »Tief Mitteleuropa«, eine flache Druckverteilung zwischen dem Atlantik und dem Kontinent, ertränkt die Natur mit monsunartigen Starkniederschlägen. Auf den Weiden verfault den Bauern das Gras, das schon lange hätte geschnitten werden sollen, von unten her weg. Wenigstens, so denke ich mir, gibt es in den Bergen oben den dringend benötigten Schnee. Das versöhnt mich ein wenig mit der regennassen, melancholischen Tristesse, die wie eine Seuche über dem Tiefland lastet.

Engelhörner/Rosenlaui
Oberer Grindelwaldgletscher, Mittelbild im Rosenlaui

Die Bilder der paar wenigen Schönwettertage, an denen der Himmel auch wirklich klar, der Sonnenschein kräftig und wärmend war, habe ich wie wertvolle Perlen in meinem magischen Lederbeutel gesammelt. Charakterlich zeichneten sich diese oft durch ein ganz spezielles Licht aus. Ich nenne es ein »falsches« Licht. Der Himmel ist so klar, die Luft so gläsern, dass man denkt, jetzt wird das schöne Wetter für ein paar Tage bleiben. Doch weit gefehlt. So schön ein solcher Tag auch sein mag, so sicher steht er auch für den nahenden Wetterwechsel. Und schon am nächsten Tag wird man durch das Plätschern des Regens aus der Dachrinne geweckt. In der Benommenheit des Wachwerdens bin ich mir dann nicht immer so sicher, ob der tiefblaue Himmel, die persilweiss verschneiten Berge, das üppige Grün der Wiesen und Wälder nicht nur ein Traum waren.

Kleines Fiescherhorn
Luteraar und Schreckhorn
Alpweide bei Grindelwald
Holzzaun, "Schaarhaag"

Beim langen Warten irgendwo oben auf einem Grat oder Gipfel, bei einem eintönigen Aufstieg im Winter, halte ich mir oft die Zeit kurz, indem ich an die noch nicht gemachten Bilder denke. Ich stelle mir vor, wo und wann ich was fotografieren werde. Mein imaginärer Blick schweift über Bergwiesen voller Krokusse, Enzianen und Pelzanemonen. Ich verweile bei den zartrosaigen, jungmädchenhaften Mehlprimeln, die den feuchten Boden so lieben. Oder ich suche die Fluhränder nach den ersten fröhlich, frischen Gelbtupfern der Flühblumen ab. Deren betörend süsslich, würziger Duft ist mir stets gegenwärtig. Dieser Duft, das leuchtende Gelb der Blume, so erzählte man früher, habe die jungen Burschen ins Gebirge hoch gelockt, auf die abschüssigen Felsenbänder hinaus – und nicht immer seien alle heim gekommen.

Felsenaurikel oder Flühblumen

Gross war meine Wunschliste für den Frühling. Zu vielen Orten wollte ich hochsteigen. Doch schlussendlich konnte ich nur ein paar wenig besuchen. Das Wetter war und ist einfach zu nass und garstig. Und viel zu oft versinken diese trübsinnigen Tage in regenschwere Abende. Diese kommen mir wie Diebe vor, die das Licht der nahenden Sonnenwende stehlen. Wenn es dann draussen wieder einmal viel zu früh dunkel geworden ist, mache ich zuweilen meinen Lederbeutel auf und betrachte ein paar von meinen gesammelten Perlen.

Wiese mit Krokuss und Bergsee
Der Staubbach Wasserfall im Lauterbrunnental
Blühender Kirschbaum im Lauterbrunnental
Kuhschelle oder Pelz Anemone
Alpen Stiefmuetterchen
Rote Primel und Enzian
Alpweide im Rosenlaui

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