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Grosser Aletschgletscher

Reise zwischen den Welten

15.11.2016

Vor rund 1,3 Milliarden Jahren, irgendwo in den unendlichen Weiten des Weltalls. Zwei gigantisch grosse, schwarze Löcher, fünfundsechzig Mal das Gewicht unserer Sonne, rasten mit Lichtgeschwindigkeit auf einander zu. Eine unvorstellbare Masse, beträgt doch der Durchmesser der Sonne mehr als hundert Mal so viel wie der unseres Planeten. Nach einer Reise von 200‘000 Jahren, durch Raum und Zeit, kam Anfang letzten Jahres, die dabei freigesetzte Energie bei uns auf der Erde an. Übrig geblieben war davon nicht viel mehr als ein schwacher Hauch, eingefangen während eines Sekundenbruchteils, von einer sogenannten Zitterfalle, ein schnurgerader vier Kilometer langer Laserstrahl.

Was für ein Spektakel muss diese Frontalkollision im Weltall bei Höchstgeschwindigkeit gewesen sein. Unwillkürlich kommen mir die Bilder der letzten Filmsequenzen von Lars Triers „Melancholia“ in den Sinn. Die Pulverisierung der Erde durch einen Planeten, dramatisch untermahlt mit der Ouvertüre von Wagners Tristan und Isolde. In den endlosen Weiten des Alls ging es wohl weniger klassisch und weniger fotogen zu; trotzdem. Mit meinem Verstand kann ich mir die Sache mit den schwarzen Löchern noch knapp vorstellen. Doch mein Gefühl sagt mir: Unmöglich! Und je länger ich darüber nachdenke, desto einsamer fühle ich mich in dieser Augustnacht, unter dem tief dunkelblauen, fast schwarzen, funkelnden Sternenhimmel.

Ein wenig perdu suche ich Zuflucht bei der wohligen Wärme meines Sommerschlafsacks. Der harte Granitboden auf dem ich liege stärkt mir, im Angesicht dieser Unendlichkeiten, den Rücken. Mein steinernes Bett steht hoch über dem Aletschgletscher. Eine kleine, tischebene Aussichtsplattform, blankgeschliffen vom Gletschereis, während und vor tausenden von Jahren. Wieder so eine zeitlose Dimension.

Langsam fallen mir die Augen zu. Das glitzernde Firmament verschwindet wie die Bühne hinter dem Vorhang. Das Firmament, das ja auch seinerseits nur ein Vorhang vor den undenkbaren Weiten des Kosmos sowie den vielen fremden Galaxien des Raumes ist. Ein kurzer Augenblick leuchten die hellsten Sterne in meinem Kopf nach, verglimmen. An ihrer Stelle erscheinen neue Bilder, gewinnen an Leuchtkraft als ob sie von einem Dimmer gesteuert würden.

Prächtige Wollgraswiese am Ufer des Märjelensees.

Ich steige aus dem Rhonetal hoch, halte inne, drehe mich und schaue zurück. Da breitet es sich behäbig von Osten gegen Westen, satt gefüllt mit strahlendem Licht, bis oben hin zu den höchsten Gipfeln. Ein wenig schläfrig liegt es da, zwischen den hohen Bergen. Fast meine ich zu spüren, wie die Landschaft die heissen Spätsommertemperaturen geniesst, die sich bis in die tiefsten Schluchten und auf die schattigsten Gründe gelegt hat. Unten in Visp war es über 30 Grad. Selbst auf Märijela herrschen sommerliche Mittellandtemperaturen.

Die nachmittägliche Hitze lastet schwer auf dem Aletschgletscher.

Schon frühmorgens umschmeichelt eine fast zärtliche Wärme die kühleren Lüfte der Nacht. Grate und Gipfel glühen im ersten Sonnenlicht. Nicht so wie üblich zum Herbstanfang, scharf und zackig wie der gestärkte Kragen eines weissen Hemdes. Eher so, als wären sie mit Weichspüler gewaschen worden. Farbigkeit und Kontraste erinnern an manipulierte Bilder in Photoshop. Mit meinen Verinnerlichten, lassen sie sich nur sehr bedingt abgleichen. Der Klimawandel lässt grüssen.

Das Weisshorn leuchtet im frühen Tageslicht. Das Matterhorn spielt für einmal eine Nebenrolle.
Langsam heben sich die Schleier der Nacht über dem Geisshorn und dem Olmenhorn.
Das Geisshorn in Flammen.

Bei meinem letzten Besuch (s. Blog Märjjelensee vom 2015) fand ich hier eine archaische Urlandschaft vor. Diesmal dünkt es mich jedoch, als ob ich mich fortwährend in einer idealisierenden Filmkulisse bewegen würde. Als ob ich mich unbemerkt in den Bilderlandschaften eines aufgepoppten Bergkalenders verirrt hätte. Alles scheint mir, ob der Weichheit des Lichtes, der warmen Luft, der satten Farben und sanften Konturen unwirklich.

Nichtsdestotrotz habe ich natürlich meine Bilder gemacht. Und heute, wo ich diesen Text schreibe, wo das Wetter trüb und nassfeucht ist, sich die Dunkelheit zuweilen schon am frühen Nachmittag über den Tag ausbreitet, schaue ich die Bilder an und mir ist’s, als ob ich sie von einem anderen Planeten mitgebracht hätte.

Die Bühne ist für den Tag hergerichtet.
Das Licht hat die Landschaft!

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