Jahreszeiten
10.02.2018
Im vergangenen November verbrachte ich einen eindrücklichen Abend im KKL in Luzern. Auf dem Programm standen unter anderem die Kinderszenen von Schumann op. 15, interpretiert von Gabriela Montero. Ihr traumversunkenes Spiel, voller Gegenwärtigkeit, Prägnanz, Leidenschaft, Wärme, grosser Virtuosität und stupender Leichtigkeit haben mein Herz tief berührt. Das achtsame, fast zärtliche Dahingleiten der Kinderszenendurch den Konzertraum erinnerte mich an das Bild „whiteclouds, bluewaters“ von Shinzo Maeda, dem grossen japanischen Landschaftsfotografen. Es ist Hochsommer, die Landschaft geschwängert von der Mittagshitze, die Lüfte von einem warmen Enzianblau durchdrungen. Darunter fast bildfüllend der weite Ozean, im Vorgrund eine Lagune. Weit weg, am rechten Bildrand „rolling green hills“. Das Meer scheint vom intensiven Licht der Sonne seiner selbst entrückt zu sein, die Blaufarben noch dunkler, erfüllt vom geheimnisvollen Zauber der Mittagsstunde. Grasiges Sumpfland, in dessen Grün sich das Blau des Firmamentes mischt, dehnt sich zur Lagune hin aus. Entlang der Wasserlinie, hochstängeliges Schilf. Dort wo eine sanfte Meerbriese gedankenverloren über die Wasserfläche streift rippelt es sich. Weiter draussen die Sandbank, auch sie, üppig mit Schilf bewachsen. Dahinter nichts mehr - nur die grosse Weite des Meeres. Zwei weisse Wattewölkchen schweben über der, vor sich hin dämmernden Landschaft, als ob sie der Herrgott dort oben vergessen hätte. Ihr helles Weiss spiegelt sich im dunklen Blau des Brackwassers. Und so wie die beiden Schönwetterbäuschchen die Szenerie bezaubern, so fühlte sich meine Seele von den Kinderszenen berührt. Augenblicke des absoluten Glücks, das so vergänglich ist, wie die beiden Wölkchen.
Die Wolken, treue Begleiter auf fast allen meinen Touren, fester Bestandteil vieler meiner Bergfahrten. Bis auf ganz wenige Ausnahmen ist das Landschaftserleben ohne sie für mich eher flach und eintönig. So wie ein grosser, unmöblierter Raum, der durch seine Proportionen, wenn diese denn stimmen, durchaus zu gefallen vermag, mehr jedoch nicht. Steht da drinnen allerdings nur ein passendes „Möbelstück“, ein Kontrastpunkt, so steigt die Spannung augenblicklich. Ebenso verhält es sich mit den Wolken am Himmel als Kontrapunkt zu der Landschaft. Kaum ein Maler, der sich ihrer nicht bedient hätte. Constabel war einer der ersten, der unermüdlich versuchte, die unsteten Wesen einzufangen. Beinahe zwei Jahre lang malte und zeichnete er fast nur Wolken. „Skying“ nannte er es. Dann Turner, der vielleicht bedeutendste Wolkenmaler. Während eines üblen Sturmes auf hoher See, liess er sich an den Schiffsmast binden, um so die wildgewordenen, entfesselten Lüfte, Gischte genauer studieren zu können. Unvergesslich auch, als landschaftlicher Gegensatz zum tosenden Meer, das Gemälde „Hannibal crosses the Alps“
Copyright Bild & Text: Christian von Almen. Nutzungsbedingungen: Impressum/ABG. Je nach Verwendungszweck stelle ich meine Bilder unter der "Creative Commons Lizenz" auch kostengünstig oder kostenlos zur Verfügung.
Artikel empfehlen Newsletter abonnieren